Montag, 25. Januar 2010

900 Polizisten verhindern Fan-Randale

Nervendes Katz- und Mausspiel auf Steuerzahlers Kosten

NÜRNBERG - Festnahmen, bengalische Feuer im Fanblock und ein Geisterzug: Rund 900 Polizisten waren im Einsatz, als der 1. FC Nürnberg auf Eintracht Frankfurt traf.

Für ein paar Minuten steht der Betrieb am Fürther Hauptbahnhof still. Polizisten blockieren die Abgänge. Reisende müssen warten und recken die Köpfe hinter der Polizeiphalanx.

Hunderte Eintracht-Fans, die mit dem Zug in Fürth angekommen sind, marschieren durch den Polizeikorridor in Richtung U-Bahn. Die Anhänger, unter ihnen etwa ein Dutzend Hooligans und 375 Problemfans, tragen die schwarz-weißen Mützen der Frankfurter «Ultras«. Milchgesichtige Mittzwanziger grölen mit Bierdosen in der Hand. Manche sind schon vor dem Spiel blau.

Rund 900 Polizisten sind im Einsatz; knapp 500 von der bayerischen Polizei und noch einmal 400 von der Bundespolizei. Alles nur, damit eine so banale Sache wie ein Fußballspiel friedlich über die Bühne gehen kann. Die «Ultras« des 1.FC Nürnberg und die «Ultras« der Eintracht sind sich in leidenschaftlicher Abneigung verbunden. Ein harter Kern verwechselt Rivalität mit Feindschaft und missbraucht die Sportbühne für Krawall.

Damit die Anhänger beider Mannschaften nicht aufeinander losgehen können, trennt die Polizei die Fans bei An- und Abreise. Deshalb fährt sie einen teuren, personalintensiven Einsatz. Manchen Beobachtern fehlt das Verständnis dafür. «Was das den Steuerzahler kostet!«, schimpft eine Frau am U-Bahnsteig. Sie will anonym bleiben.

Die massive Präsenz kommt auch bei einigen Fans nicht gut an. «Die Polizei in Bayern ist total übermotiviert«, schimpft ein Eintracht-Anhänger und nimmt - ein seltenes Bild - einen Schluck aus der Wasserflasche. Der 27-Jährige muss draußen bleiben. Er passt nicht mehr in die Sonder-U-Bahn, die die Frankfurter von Fürth Richtung Stadion zur Haltestelle «Messe« fährt. Nonstop, um zu verhindern, dass die Frankfurter sich in schwer kontrollierbare Grüppchen aufspalten, und um zu vermeiden, dass sie auf Nürnberger Fans stoßen. Der 27-Jährige schüttelt den Kopf, als sich behelmte Beamte in die proppenvollen Waggons quetschen, weil sie den Auftrag haben, den Zug zu begleiten. Dabei geht es im Wagen längst so eng zu wie in einer Sardinenbüchse.

Im Wagen weiter vorne hüpfen sie schon. Der Waggon hebt und senkt sich. «Wenn die sich vernünftig aufführen würden, könnten wir am Wochenende frei machen«, sagt Rainer Schlemmer trocken, der Sprecher der Bundespolizei.

Viel ist im Vorfeld geredet worden: zwischen Sicherheitsbehörden, Club, Eintracht, den Fanbetreuern und Fans beider Teams. Es ging um Zugeständnisse an die Fans und Appelle an die Vernunft. Doch mit diesen Appellen ist das so eine Sache.

Der Sonderzug, der einen Großteil der Eintracht-Fans nach Franken bringen sollte, fuhr in Frankfurt mit sage und schreibe fünf Leuten los. In Aschaffenburg stiegen 50 Leute zu. Macht 55 statt der erwarteten 300 bis 900 Fans. Die Frankfurter hatten ihren Spaß daran, den Sonderzug ins Leere laufen zu lassen. Sie nahmen den nächsten, einen regulären Zug. «Das machen die Frankfurter immer so«, sagt ein Anhänger, der seinen Namen ebenfalls für sich behält. «Schon aus Prinzip«, fährt er fort und grinst. «Das Katz- und Maus-Spiel gehört dazu.«

Der Geisterzug fährt bis Würzburg. Auf Bitten der Bundespolizei stoppt ihn die Bahn hier. Die Eintracht-Fans, die mit dem späteren, regulären Zug kommen, werden in Würzburg in den Sonderzug komplimentiert. Am Ende geht der Plan der Polizei, möglichst viele Frankfurter - rund 600 - in einem Rutsch nach Fürth und dann zur Messe zu befördern, doch noch auf.

An der Messe, im Niemandsland, werden sie von der Polizei erwartet. Weil das Bier recht drückt, pinkeln die Fans erst einmal aufs Messegelände. «Sie müssen sich links halten«, tönt es aus einem Megafon, als sich der Pulk in Bewegung setzt.

Einigen gelingt es, am privaten Sicherheitsdienst vorbei Böller und bengalisches Feuer ins Stadion zu schmuggeln. Kurz nach Anpfiff klettern Frankfurter «Ultras« auf den Zaun ihres Blocks. Hinter dem Sichtwall zünden andere die Böller. «Das wird schwierig«, sagt Einsatzleiter Kurt Benisch. Identitäten werden sich nur schwer feststellen lassen. Es qualmt, dunkle Rauchwolken steigen auf. Die Hessen bejubeln sich selbst. «Das ist ein großes Ärgernis«, schimpft Benisch.

Zäune trennen die beiden Fangruppen im Stadion. Aber irgendwo tut sich ein Loch auf. Nach dem Abpfiff drängen zwei Dutzend Frankfurter Richtung Nürnberger «Ultras«. Die Polizei stellt sich dazwischen. Ein Beamter wird verletzt. Auch am Nürnberger Hauptbahnhof suchen nach dem Spiel kleinere Grüppchen die Konfrontation. Die Polizei greift ein.

«Es ist nicht ganz rund gelaufen«, bilanziert Benisch am Ende, als die Frankfurter im Sonderzug Richtung Heimat sitzen. «Trotzdem bin ich zufrieden.« Rund 20 Festnahmen, zertrümmerte Zugscheiben - vermutlich bewarfen Nürnberger «Ultras« den Zug mit Steinen, herausgerissene Bahnsitze und Kopfstützen - so sehen die Nebenwirkungen eines ganz normalen Fußballspiels aus.

Sabine Stoll